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AutorenbildChristian Schlagitweit

Die Rückkehr der Großen Koalition in Purkersdorf

Aktualisiert: 13. Jan. 2021


Zwei Freunde aus Kindergartentagen stehen nun an der Spitze der Stadt. Aber die Große Koalition hat gleich ihren Preis: wir halten uns gleich zwei Vizebürgermeister.

System Schlögl nicht mehr finanzierbar

Karl Schlögl hat seinen Nachfolger in der Praxis des Umgangs mit der bürgermeisterlichen Macht durchaus eingeschult. Doch ein solches System lässt sich nicht einfach von einer anderen Person übernehmen. Es lebt vom Geben und Nehmen und Dankbarkeit, um nicht Schuldknechtschaft zu sagen. Natürlich betreibt nicht der Bürgermeister Kindergärten und Schulen, er baut auch nicht Wohnungen und widmet Grundstücke und vergibt auch keine großen Aufträge. Aber der Bürgermeister schaffte es, dass die Menschen glauben, dass sie den Kindergarten- und Schulplatz dem Bürgermeister zu verdanken haben. Und auch wenn Genossenschaften mit öffentlichen Förderungen Wohnungen bauten, hat sich der Bürgermeister als Gegenleistung für die Baugenehmigung das Recht herausgenommen, die Wohnungen zuzuweisen. So entstehen Abhängigkeiten. Der Bürger wird zum Untertan. In tiefer Dankbarkeit nimmt er aus der Hand des Bürgermeisters entgegen, was niemals seines war. Eine öffentliche Leistung wird dem Bürger als Gnade gewährt. Wir sind zurück im Feudalismus. Im afrikanischen Kontext bezeichnet man dieses System als Nepotismus, als Vetternwirtschaft, von der der Anhang, der „Clan“, der „Stamm“ seinen Nutzen zieht.

Die Purkersdorfer Untertanen sind nicht von der SPÖ und nicht von Steinbichler abhängig, daher war die Wahlniederlage wenig überraschend. Wir wissen noch nicht, ob der neue Bürgermeister auch ein System nach Schlögls Muster aufbauen will oder eine zeitgemäße transparente Gemeinde zulassen wird. Einfach dürfte das für Steinbichler nicht werden, weil die Stadt nicht mehr viel zu verteilen hat, ihr die Schulden über den Kopf wachsen.

In der neuen großen Koalition hat Steinbichler jedenfalls schon seinen Preis bezahlt, besser: er ließ ihn zahlen. Die angekündigte Reduzierung der neun Ressorts auf sieben wurde stillschweigend fallen gelassen, dafür ein zusätzlicher Vizebürgermeister installiert. Einen zweiten Vizebürgermeister hat Purkersdorf gerade noch gebraucht. Nein, nicht Purkersdorf. Purkersdorf bezahlt nur die üppige Versorgung von Parteisoldaten. Große Koalition kostet eben.

Das Versagen der Opposition

Die Ausgangsbedingungen waren gut für die Opposition. Die Liste Baum und Grüne hatte das Potenzial zweitstärkste Kraft zu werden und so die Purkersdorfer Zukunft sozial und ökologisch zu prägen. In den letzten Wochen der Wahlauseinandersetzung hat das aber Josef Baum selber vergeigt, der Zugewinn blieb deutlich unter den Erwartungen. Josef Baum hat alle seine verdienten MitstreiterInnen putschartig aus der Bündnisliste gestrichen und sie damit um das passive Wahlrecht gebracht. (Im Iran wird aktuell von unseren Medien skandalisiert, dass Kandidaten nicht zugelassen wurden - hierzulande nicht.) Das politische Bündnis zwischen Liste Baum und Grünen ist damit nachhaltig beschädigt und die Reputation des Josef Baum zerstört. Die Parteien und politisch Involvierten haben mitgekriegt, wie weit unter die Gürtellinie hier Josef Baum griff und alle Abkommen und Zusagen nach Belieben brach. Wer so mit seinen Parteifreunden umgeht, was kann man dem erst im Umgang mit anderen Parteienvertretern zutrauen? Das waren genau die Fragen, die andere Parteien davon abhielten Neues zu wagen, ein Bündnis abseits der GroKo zu versuchen. Josef Baum gilt als das politische Schmuddelkind, er hat sich durch seinen Putsch nicht nur in seiner eigenen Liste ins Abseits geschossen - er wurde mittlerweile ausgeschlossen -, auch die anderen wollen solche oder ähnliche Erfahrungen nicht machen müssen und hüten sich vor näheren als notwendigen Kontakten mit Baum. Die Grünen haben nur Farb- und Erfahrungslose aufbieten können, so war es für die GroKo ein leichtes, sie mit mittellosen Ressorts abzuspeisen.

Fünf Jahre teure Stagnation

Die SPÖ hat mit dieser Koalition den Machterhalt gerettet. Wichtig war das vor allem für die Baulobby. Der Funktionär der Wien-Süd Viktor Weinzinger ist nicht nur weiterhin Baustadtrat, er ist auch zum zweiten Vizebürgermeister avanciert. Das rechnet sich nicht nur pekuniär, auch die Verfilzung des Bauamtes mit der Beton- und Immospekulantenlobby ist damit noch besser abgesichert. Weiters ist Stadtplanung jetzt dezidiert in seinem Ressort angesiedelt, die breite Einbeziehung der Opposition und der BürgerInnen für die Erarbeitung eines neuen Bebauungsplans ist damit obsolet.

Die alten Machteliten haben wieder einmal ihre Schäfchen ins Trockene gebracht, die Opposition hat durch ihre eigene Unfähigkeit alles Erdenkliche dazu beigetragen. Die eine Chance ist vergeben, aber es bleibt die Frage: Kann sich bis 2025 eine neue linke Kraft als glaubwürdige Opposition etablieren? Purkersdorf hat eine zweite Chance verdient.

Christian Schlagitweit






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